Wie Diabetes, Nieren und Herz zusammenhängen
Eine Dreiecksbeziehung mit weitreichenden Folgen
Autorin: Nina Labhart
Rund 475’000 Personen sind laut diabetesschweiz hierzulande an Diabetes Typ 2 erkrankt. Viele Betroffene wissen allerdings nicht, dass sie an der Zuckerkrankheit leiden, da Diabetes Typ 2 anfangs kaum Beschwerden verursacht: Der erhöhte Blutzuckerspiegel tut nicht weh, Symptome wie vermehrter Durst und häufiges Wasserlassen, Müdigkeit und Konzentrationsprobleme sind unspezifisch und werden oft übersehen. Aus diesem Grund bleiben viele Fälle von Diabetes Typ 2 lange unentdeckt und werden erst diagnostiziert, wenn die Nieren und das Herz-Kreislauf-System bereits Schaden genommen haben.
Einfluss von Diabetes auf die Nieren und das Herz – und umgekehrt
Diabetes und Funktionsstörungen der Nieren oder des Herzens stellen für sich genommen bereits ein hohes Gesundheitsrisiko dar. Auffällig häufig treten diese Erkrankungen zusammen auf: «Ein gestörter Zuckerstoffwechsel fördert beispielsweise die Verkalkung von Blutgefässen, die sogenannte Arteriosklerose. Dabei kommt es über Jahre zu einer Veränderung der Arterien. Ihre Innenwände verdicken und Ablagerungen, auch Plaques genannt, können die Blutbahn verstopfen. Je nachdem, wo sich die betroffenen Arterien im Körper befinden, können andere Organe von dem gestörten Blutfluss betroffen sein. Mögliche Folgen sind beispielsweise ein Hirnschlag, eine koronare Herzkrankheit oder ein Herzinfarkt», zählt der Kardiologe Dr. Bossard auf.
Darüber hinaus schädigt Diabetes die Blutgefässe in den Nierenkörperchen, dem Teil der Nieren, der für die Filtration des Bluts von Gift- und Abfallstoffen zuständig ist. Mit der Zeit werden diese kleine Filtereinheiten durchlässiger, sodass sie das Blut nicht mehr ausreichend reinigen können.
Gleichzeitig hat eine gestörte Nierenfunktion aber auch Auswirkungen auf den Stoffwechsel und kann einen Diabetes verschlechtern. «Zudem erhöhen kranke Nieren das Risiko für kardiovaskuläre Vorfälle, wie beispielsweise Bluthochdruck, Herzinfarkt, Herzrhythmusstörungen oder Schlaganfälle um ein Vielfaches», erklärt Dr. Fischli.
«Eine verminderte Herzfunktion beeinflusst hingegen ihrerseits die Nieren und den Diabetes negativ. Die drei Krankheiten verstärken sich somit gegenseitig», ergänzt Dr. Bossard. Diese Dreiecksbeziehung zwischen Diabetes, Nieren und Herz rückt immer mehr in den Mittelpunkt der Behandlung. «Wir sehen die Krankheiten nicht mehr vereinzelt an, sondern konzentrieren uns auf das Gesamtbild. Vertreterinnen und Vertreter der Nephrologie und der Kardiologie, also der Nieren- und der Herzheilkunde, arbeiten deshalb stärker zusammen, um die richtige Therapie zu finden», führt der Diabetologe Dr. Fischli aus.
Unauffällige Beschwerden
Nicht nur Diabetes Typ 2 zeichnet sich durch unspezifische Symptome aus. Auch eine Nierenkrankheit oder eine Herzschwäche führen im Anfangsstadium kaum zu Beschwerden. Deshalb sind auch diese Erkrankungen stark unterdiagnostiziert. Mögliche Warnsignale sind beispielsweise geschwollene Beine, Müdigkeit oder ein Leistungsknick.
Doch eine frühzeitige Diagnose von einer eingeschränkten Nieren- oder Herzfunktion kann entscheidend sein, um schwerwiegende Folgen zu verhindern. Eine chronische Herz- oder Niereninsuffizienz ist zwar nicht heilbar, ihr Fortschreiten lässt sich allerdings durch gezielte medikamentöse Massnahmen bremsen oder sogar aufhalten.
Wichtige Tests zur Früherkennung
Besonders empfehlenswert zur Früherkennung einer Nierenkrankheit sind ein Urin- sowie ein Bluttest. «Der Urin wird auf das Vorhandensein von Albumin, einem Eiweiss, untersucht. Eine erhöhte Albuminausscheidung deutet darauf hin, dass die Filtrierleistung der Nieren gestört ist», erklärt Dr. Fischli. «Die Untersuchung der Blutprobe gibt an, wie hoch die Kreatinin-Konzentration ist. Ein erhöhter Wert ist ein Zeichen dafür, dass die Nieren ihre Arbeit nicht mehr korrekt erledigen können», so der Experte. Anhand der beiden Resultate kann die Nierenfunktion in unterschiedliche Grade eingeteilt werden. Bei auffälligen Tests oder einer fortgeschrittenen Schädigung der Nieren kann die betroffene Person an eine Nephrologin oder an einen Nephrologen überwiesen. «Diabetikerinnen und Diabetiker sollten diese Untersuchungen mindestens einmal pro Jahr in ihrer Hausarztpraxis vornehmen lassen, damit eine Veränderung der Nierenfunktion möglichst früh erkannt und rasch behandelt werden kann», rät der Diabetologe.
Ein Bluttest eignet sich ausserdem, um das Vorliegen einer Herzschwäche abzuklären. «Der sogenannte NT-proBNP-Test kann im Rahmen anderer wichtiger Untersuchungen in der Hausarztpraxis durchgeführt werden und bedeutet keinen Mehraufwand für die Patientin oder den Patienten. Je höher der BNP-Wert im Blut ist, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit einer Herzinsuffizienz», so Dr. Bossard.
Neue Medikamente für Diabetes, Nieren und Herz
Um den Gesundheitszustand und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern, muss bei allen drei Organsystemen angesetzt werden», erläutert Dr. Bossard.
Ein wesentlicher Bestandteil der Therapie bei Diabetes Typ 2 ist die Gewichtsreduktion, die heute oft mit GLP-1-Rezeptoragonisten unterstützt wird. Diese Wirkstoffe werden seit über einem Jahrzehnt erfolgreich eingesetzt und haben in jüngster Zeit als sogenannte ‹Abnehmspritzen› an Bekanntheit gewonnen. Dr. Fischli steht dieser Bezeichnung jedoch kritisch gegenüber: «Der Begriff suggeriert, dass es lediglich um das äussere Erscheinungsbild geht. Tatsächlich senken diese Medikamente nicht nur das Körpergewicht und den Blutzucker, sondern reduzieren auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Sie sind äusserst wirksam und gut verträglich.»
Um den Blutzuckerspiegel zu senken, kommen zusätzlich häufig SGLT2-Hemmer zum Einsatz. Studien haben gezeigt, dass diese Medikamente, die ursprünglich zur Behandlung von Diabetes entwickelt wurden, auch schützende Effekte auf die Nieren und das Herz-Kreislauf-System haben und Betroffene weniger häufig wegen einer akuten Verschlechterung ihres Gesundheitszustands im Krankenhaus behandelt werden müssen», weiss Dr. Fischli. Einige SGLT2-Hemmer werden mittlerweile auch an Personen verschrieben, die nicht an Diabetes leiden, aber beispielsweise eine Herzmuskelschwäche oder eine Störung der Nierenfunktion haben.
Betroffene können einiges selbst tun, um ihr Blutzuckermanagement zu optimieren und ihre Nieren sowie ihr Herz zu schützen: Ausreichend Bewegung, gesunde Ernährung, die Reduktion von allfälligem Übergewicht und ein Rauchstopp sind sehr empfehlenswert. «Wir wissen, dass Lebensstiländerungen nicht einfach sind. Fachpersonen aus verschiedenen Bereichen können Sie darin unterstützen, gesünder zu essen oder mehr Bewegung in den Alltag zu integrieren», sagt Dr. Fischli.
Mehr Informationen finden Interessierte auf den Webseiten von diabetesschweiz, der Schweizerischen Herzstiftung oder der Schweizerischen Nierenstiftung.
Die Experten

Chefarzt Endokrinologie und Diabetologie
Dr. med. Stefan Fischli
Luzerner Kantonsspital
Luzerner Kantonsspital

Kardiologe, Leitender Arzt
PD Dr. med. Matthias Bossard
Luzerner Kantonsspital
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