Wenn die Kindernieren nicht mitmachen

Anzeichen, Ursachen und Behandlung

Wenn die Nieren ihren Job nicht gut machen, ist das bei Kindern besonders tragisch. Sie und ihre Familien sind schon am Anfang ihres Lebens mit grossen Herausforderungen konfrontiert.

Autorin: Rahel Lüönd

Nieren produzieren nicht nur den Urin und entgiften den Körper. Sie regulieren auch den Blutdruck, den Salzhaushalt und die Säure-Basen-Balance. Weiter sind sie für die Blutbildung und die Vitamin-D-Produktion zuständig – und noch für einiges mehr. All diese Aufgaben erfüllt der Körper bei Kindern mit einer chronischen Nierenerkrankung nur unzureichend.

Nierenerkrankungen bei Kindern: vererbt, angeboren oder erworben

Die einzelnen Krankheitsbilder sind vielfältig: Je etwa zu einem Drittel sind sie vererbt, auf Fehlbildungen zurückzuführen oder – beispielsweise durch eine Entzündung – erworben. «Die ersten beiden Ursachen betreffen vor allem jüngere Kinder», sagt Dr. med. Giuseppina Spartà, die Leiterin der Abteilung für Nephrologie am Universitäts-Kinderspital Zürich. Typische vererbte Krankheiten sind die Nephronophthise, Zystennieren oder Stoffwechselerkrankungen wie die Zystinose.

Fehlbildungen von Nieren und ableitenden Harnwegen treten etwas häufiger bei Jungs auf. Manche haben von Geburt an auch nur eine Niere. Heutzutage entdecken Fachleute viele dieser Fehlbildungen dank der pränatalen Diagnostik bereits vor der Geburt beziehungsweise kurz nach der Geburt. Erkannte Risikofaktoren kann man so schon früh im Auge behalten. Noch vor 50 Jahren kam eine Nierenkrankheit meist erst beim Auftreten entsprechender Symptome, also viel später, zum Vorschein.

Keine kleinen Erwachsenen

Die Therapie unterscheidet sich bei Kindern mit Nierenerkrankungen – genauso wie Ursachen und Verlauf – recht stark von jener der Erwachsenen. «Die meisten Kinder produzieren beispielsweise noch lange eigenen Urin, auch wenn die Niere sehr schlecht funktioniert», sagt Dr. Spartà. Auch verlieren Kinder oft Salz über den Urin, während betroffene Erwachsene zu viel davon haben. Zudem ist das Wachstum chronisch nierenkranker Kinder gebremst. Alles in allem ist es für Dr. Spartà und ihr Team ein permanentes Abwägen, um die richtige Balance für jedes betroffene Kind zu finden.

Je schlechter die Nierenfunktion wird, desto engmaschiger werden die Besuche in der Klinik. Medikamente ersetzen in dieser Zeit nur teilweise die vielen Funktionen der Nieren und helfen, das Fortschreiten der Nierenerkrankung zu verlangsamen. Rückt der Zeitpunkt näher, an dem die Nieren komplett versagen, ist das Ziel eine Nierentransplantation. «Wir versuchen bei Kindern, eine Transplantation so lange wie möglich hinauszuzögern. Gleichzeitig möchten wir aber eine Dialyse unbedingt verhindern», sagt die Expertin. Die Dialyse oder «Blutwäsche», die entweder die Eltern via Maschine jede Nacht zu Hause durchführen oder die drei- bis viermal pro Woche im Spital erfolgt, sei für Kinder besonders belastend. Aufgrund der schweizweiten Knappheit sei eine Spenderniere aber keineswegs garantiert und führe in rund der Hälfte der Fälle dazu, dass Familienmitglieder ihr eigenes Organ zur Verfügung stellten. Dr. Spartàs Schätzungen zufolge werden in der Schweiz jedes Jahr zwischen 4 und 15 Kinder nierentransplantiert.

Ganzes Team will Betroffenen ein normales Leben ermöglichen

Die Folgen von Nierenerkrankungen bei Kindern führen weit über das Medizinische hinaus: Die Kinder sollten viel trinken und kalorienreich essen, um richtig wachsen zu können. Aufgrund der Nierenerkrankung ist ihnen aber oft schlecht. Sie sind häufig müde, was sich wiederum auf ihre Leistungsfähigkeit auswirkt. Auf Chips und Fast Food sollten sie möglichst verzichten. Weiter sind Alkohol und Rauchen auch im jugendlichen Experimentieralter tabu, ebenso ist Sport bei stark verminderter Nierenfunktion nur in Massen sinnvoll. «Eine grosse Herausforderung sind die sozialen Auswirkungen», bilanziert denn auch Dr. Spartà. Eine Nierenerkrankung prägt den Alltag der ganzen Familie. «Das Wichtigste ist, dass die Kinder durch die Krankheit nicht traumatisiert werden. Wir versuchen den betroffenen Familien deshalb mit einem ganzen Team von Fachleuten aus den Bereichen Ernährung, Schule, Sozialarbeit, Psychologie und Medizin zu einem möglichst normalen Leben zu verhelfen.»

Die Expertin

PD Dr. med. Giuseppina Spartà

PD Dr. med.

Giuseppina Spartà

EMBA Leiterin der Abteilung für Nephrologie, Universitäts-Kinderspital Zürich – Eleonorenstiftung  

EMBA Leiterin der Abteilung für Nephrologie, Universitäts-Kinderspital Zürich – Eleonorenstiftung  

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