«Ich muss umplanen.»
Eine Betroffene berichtet von ihren Erfahrungen mit der Dialyse
Autor: Dr. phil. Bernhard Spring
Hedy Camenzind fühlt sich gut, sie ist zu «99 Prozent gesund», sagt sie. Der Bluthochdruck ist ordentlich eingestellt, der Diabetes auch. Die Kontrolluntersuchungen zeigen regelmässig gute Werte an. Trotzdem liess die Nierenleistung in den vergangenen Jahren immer weiter nach. Die Ärzte vermuteten, dass es an den Medikamenten lag, die sie wegen des Diabetes nahm. Die Medikation wurde umgestellt, doch die Nieren stabilisierten sich nicht. Ihre Leistung blieb für kurze Zeit stabil, dann sank sie langsam wieder.
Plötzlich dialysepflichtig
Im vergangenen Herbst musste sich Frau Camenzind deshalb in Behandlung begeben. Dass bei ihr die chronische Nierenkrankheit diagnostiziert wurde, erschütterte sie nicht. «Ich muss damit halt zurechtkommen», sagt sie. «Es bleibt mir ja nichts anderes übrig.»
So ganz geheuer war ihr die Behandlung anfangs aber nicht. «Vor der Dialyse hat mir ein bisschen gegraut», erinnert sich die 85-Jährige. Inzwischen gehört die Blutwäsche zu ihrem Alltag dazu. «An drei Nachmittagen in der Woche muss ich jetzt ins Dialysezentrum. Der Rotkreuz-Fahrdienst fährt mich dorthin, das ist sehr komfortabel.»
Die Behandlung verträgt sie gut, nur würde die rüstige Rentnerin die Zeit natürlich gern anders nutzen. Sie musiziert in einem Orchester und berät ältere Menschen bei Computerproblemen. Durch die Dialyse muss sie ihre Wochen umplanen. Das bedeutet: drei Nachmittage, an denen sie keine Zeit für Freundschaften und Hobbys hat. Dazu die Abende nach der Blutwäsche, an denen sie sich müde fühlt. «Zum Glück habe ich ja noch die freien Tage dazwischen», so Frau Camenzind. Eingeschränkt fühlt sie sich nicht. «Das lässt sich alles organisieren», weiss sie.
Krankheit ohne Beschwerden
Ihr Nierenleiden bekommt sie nicht mit. Sie hat keine Schmerzen, bemerkte keine Veränderungen an ihrem Körper. Nur der Hunger ist weg, seit sie zur Dialyse geht. «Ich koche zwar noch gern und viel, aber zum Essen muss ich häufiger meine Töchter einladen. Ich habe einfach keinen Appetit mehr», erklärt sie. Dass sie dadurch in den letzten Monaten etwas abgenommen hat, kommt ihr entgegen. «Das macht es etwas einfacher, mobil zu bleiben. Ich war zwar nie eine begeisterte Spaziergängerin, aber trotzdem ist es mir wichtig, dass ich gut zu Fuss bin.»
Dass ihre Nieren nicht richtig funktionieren, muss sie sich immer wieder bewusst machen. «Manchmal denke ich, ich könnte auf die Dialyse verzichten, so gesund fühle ich mich.» Aber der Arzt hat ihr die damit verbundenen Folgen für das Herz und andere Organe aufgezeigt. Deshalb hält Frau Camenzind an der Behandlung fest. Sie ist stolz und dankbar, dass sie in ihrem Alter kaum Beschwerden hat und selbstständig leben kann. Die grosse Wohnung unterhält sie allein, bei schweren Aufgaben helfen Personen aus der Nachbarschaft und die Kinder. «Ich bin froh, dass ich noch so viel unternehmen kann», meint sie. «Natürlich ärgert es mich schon manchmal, dass ich die Dialyse brauche. Aber mir tut nichts weh, meine Hände funktionieren und ich habe im Dialysezentrum viele nette Menschen kennengelernt.» Bei schönem Wetter will sie wieder mit dem öffentlichen Verkehr zum Dialysezentrum fahren. Auch das ein kleines, aber wichtiges Zeichen: «Ich habe mein Leben im Griff, ich komme gut zurecht.»
Die Würde der Betroffenen achten
Psycho-soziale Aspekte
Nicht nur die Diagnose selbst spielt eine wichtige Rolle bei Niereninsuffizienz. Genauso müssen psychosozialen Aspekten Achtung geschenkt werden.
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