Nierentransplantation

Dr. Isabelle Binet über Voraussetzungen und Durchführung

Kein Organ wird so häufig transplantiert wie die Niere. Jährlich erhalten laut Bundesamt für Gesundheit (BAG) rund 300 Menschen eine Spenderniere. Im Interview erklärt Dr. Isabelle Binet die Transplantation und was auf Spender und Empfänger zukommt.

Autor: Dr. phil. Bernhard Spring

Frau Dr. Binet, wann ist eine Nierentransplantation angeraten?

Wenn die Nierenfunktion auf einen Wert von etwa 10 Prozent gesunken ist, wird eine Nierentransplantation notwendig. Diese sollte im Idealfall gut vorbereitet sein. Deshalb ist es ratsam, über eine Transplantation schon dann zu sprechen, wenn die Organleistung etwa 20 bis 30 Prozent beträgt. Der konkrete Zeitpunkt hängt vom individuellen Verlauf ab.

Nach welchen Kriterien werden die Lebendspender ausgewählt?

Entscheidend ist eine gute Nierenfunktion beim potenziellen Lebendspender. Bei einer Lebendspende sind ausserdem der gesundheitliche Gesamtzustand und der Lebensstil des Spenders wichtige Kriterien. Immerhin muss er für den Rest seines Lebens mit nur einer Niere zurechtkommen können. Oberstes Ziel bei der Auswahl des Lebendspenders ist deshalb, dass der Spender tatsächlich Spender bleibt und nicht Patient wird.

Welche Nieren sind besser geeignet: die von Lebenden oder von Verstorbenen?

Grundsätzlich eignet sich jede gesunde Niere. Bei einer Lebendspende ist die Transplantation planbar und die Niere arbeitet bis zur Entnahme durch. Deshalb funktioniert eine Niere aus einer Lebendspende meist etwas länger als die aus einer Totspende. Wie lange das Organ allerdings wirklich funktionsfähig bleibt, hängt von vielen Faktoren ab, beispielsweise der Art und der Häufigkeit von Komplikationen und Infektionen. Im Durchschnitt arbeitet eine Spenderniere 15 Jahre; ihre Funktionsdauer kann aber sehr stark variieren, manche können auch mehr als 30 Jahre arbeiten.

Was passiert vor der Transplantation?

Der Patient wird zunächst auf seinen körperlichen und psychischen Gesundheitszustand überprüft und in eine Warteliste aufgenommen. Auch Impfungen und Infektionen werden abgeklärt. Es ist leider nicht unüblich, dass viele Patienten mehrere Jahre auf der Warteliste geführt werden, bevor ein passendes Spenderorgan für sie gefunden wird. Unmittelbar vor der Transplantation erfolgt die für eine Operation übliche Vorbereitung.

Wie läuft die Nierentransplantation ab?

Das Spenderorgan wird im kleinen Becken platziert und zuerst an den Blutkreislauf und anschliessend an die Blase angeschlossen. In den meisten Fällen verbleiben die beiden Nieren des Patienten im Körper. Sie werden nur entnommen, wenn es sich beispielsweise um Zystennieren handelt oder bei einem Tumor oder Infektionen. In diesen Fällen werden die Nieren in einer separaten Operation vor der Transplantation entfernt.

Welche Therapie ist im Anschluss an die Nierentransplantation notwendig?

Der Empfänger muss fortan immunsuppressive Medikamente einnehmen, um zu verhindern, dass die Spenderniere von seinem Immunsystem abgestossen wird. Dabei lautet die Devise: So viel wie nötig und so wenig wie möglich. Immerhin werden dadurch die Abwehrkräfte geschwächt, sodass das Risiko für Infektionen aller Art zunimmt.

Was muss der Empfänger der Spenderniere im Alltag berücksichtigen?

Natürlich sollte er auf einen gesunden Lebensstil achten, um eine erneute Nierenerkrankung zu vermeiden. Das Wichtigste ist allerdings, dass die Medikamente regelmässig eingenommen werden. Das klingt banal, ist es aber nicht, weil die Einnahme eben Tag für Tag eingehalten werden muss. Ausserdem sollten notwendige Kontrolluntersuchungen regelmässig wahrgenommen und etwaige Beschwerden wie Fieber oder Durchfall rasch gemeldet werden.

Wie verändert sich der Alltag des Organspenders, wenn er nur noch eine Niere besitzt?

Er sollte sich nach Möglichkeit so wenig wie möglich ändern. Der Spender ist im Durchschnitt etwa drei Monate nach dem Eingriff wieder mitten im Leben. Er wird im Rahmen einer anhaltenden Nachsorge betreut, um mögliche Gesundheitsrisiken wie einen erhöhten Blutdruck oder Blutzuckerspiegel möglichst frühzeitig zu erkennen. Eine Nierenspende schränkt das Leben meist nicht ein, zieht aber ein erhöhtes Mass an Aufmerksamkeit für die eigene Gesundheit nach sich.

Vielen Dank für das Gespräch.

Die Expertin

Dr. med.

Isabelle Binet, FEBTM

Klinikleiterin Nephrologie/Transplantationsmedizin am Kantonsspital St. Gallen Pastpräsidentin der Swiss Transplantation Society Präsidentin der Schweizerischen Nierenstiftung

Klinikleiterin Nephrologie/Transplantationsmedizin am Kantonsspital St. Gallen Pastpräsidentin der Swiss Transplantation Society Präsidentin der Schweizerischen Nierenstiftung

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